Sonntag, 24. Juli 2016

Drei Tage Aletsch Arena

Ein Kollege hatte mir die ganze Woche aus dem Wallis Fotos mit blauem Himmel ins Büro geschickt. Als meine Wanderbegleitung und ich am Freitag in Brig ankamen, regnete es. Trotzdem würdigten wir das Postauto, das zur Talstation der Belalp-Bahn fuhr, mit (fast) keinem Blick und stapften unbeirrt durch den Regen.

Das Höhenprofil der Wanderung, die vor uns lag, war einfach zu beschreiben: Es ging immer aufwärts; am Anfang entlang eines alten Saumpfades. In Geimen hörte der Regen auf. Gleichzeitig boten sich für den weiteren Aufstieg zwei Varianten an. Wir entschieden uns schliesslich für die Route durch das Blindtälli, was sich als eine sehr gute Wahl und eines der Highlights des Tages herausstellte: Der Weg führte durch ein von mit Moos bewachsenen Felsbrocken übersätes Wäldchen, immer entlang eines kleinen Wildbachs.

Durch die idyllische Landschaft war auch ein Vita Parcours angelegt, und obwohl es sich damit vermutlich um einen der schönsten Vita Parcours der Schweiz handeln dürfte - wir fragten uns schon, wer diesen in dieser doch eher unzugänglichen Gegend benutzt. Aber vielleicht unterschätzten wir die Fitnessfreudigkeit der Geimener.

In Blatten überlegten wir kurz, ob wir den Rest des Aufstiegs mit der Gondelbahn verkürzen sollten. Doch da das Wetter eher besser als schlechter wurde, fehlte uns eine gute Ausrede und so stiegen wir weiter zu Fuss auf. In Tschuggen hatten wir wieder die Wahl zwischen zwei Routen und wieder entpuppte sich der Weg durch den Wald als eine gute und schöne - wenn auch ziemlich steile - Entscheidung.

Die letzten Kilometer stiegen dann nur noch leicht an, dafür führten sie entlang von zahlreichen, trostlos leer stehenden Ferienhäuschen. Die Zweitwohnungsinitiative kam hier wohl zu spät. Spektakulär war dann wieder der erste Blick auf den Aletschgletscher, direkt hinter unserem Hotel.

Im Panoramarestaurant des Hotel Belalp assen wir auch zu Abend. Zwar schoben sich immer wieder Wolken vor das Panorama, so dass man zeitweise kaum einen Meter weit sehen konnte. Die Wolken rissen aber auch immer wieder auf und gaben den Blick hinunter auf Brig und auf die gegenüberliegenden Gipfel frei: Ein abwechslungsreiches Schauspiel fast wie im Kino.

Als wir am Samstag morgen den steilen Abstieg zur Massaschlucht unter die Füsse nahmen, war unser Wandergrüppchen zu einer Wandergruppe angewachsen. Auf dem Programm der nächsten beiden Tage stand der Aletsch Panoramaweg. Der Weg führte durch die vom Gletscher geprägte Felslandschaft. Doch als wir einen kurzen Abstecher zum Aussichtspunkt Aletschtor machten, mussten wir feststellen, dass wir so um die fünfzig Jahre zu spät waren - von diesem Punkt aus war der Gletscher kaum mehr zu sehen.

Kurz darauf erreichten wir die Hängebrücke, die in 80 Meter Höhe über die Massaschlucht gespannt ist. Eindrücklich! Und nichts für Nicht-Schwindelfreie, denn durch den Gitterboden hat man ungehinderten Blick in die Tiefe und die tosende Massa.

Nach einer kurzen Rast am Grünsee begann der anstrengende Teil des Tages, nämlich der Aufstieg durch den Aletschwald. 500 Höhenmeter waren wir abgestiegen, mehr als 600 Höhenmeter mussten wir auf der anderen Seite wieder hinauf und fanden, dass man die Hängebrücke eigentlich direkt von der Terrasse des Hotel Belalp aus hätte bauen können - die Wanderung wäre ein reiner Sonntagsspaziergang. Doch zugegebenermassen hätte man dann den Aletschwald verpasst und alleine für diesen Märchenwald lohnte sich die Mühe. Noch besser wurde es, als sich dann endlich der Blick auf den Aletschgletscher öffnete. Da wurde einem klar, wie die Gegend zum Prädikat "UNESCO-Welterbe" gekommen ist. Via Blausee - der nicht blau ist - stiegen wir schliesslich hinunter zur Bettmeralp und liessen bei Abendsonne und einem Glas Walliser Wein den Tag ausklingen.

Der Sonntag begann mit Sonne und blauem Himmel - wie auf den Fotos meines Kollegen - und einem steilen Anstieg Richtung Bettmerhorn. Die pinkfarbenen Gondeln schwebten über uns hinweg und ich fragte mich, warum ich eigentlich dauernd Berge zu Fuss bestieg, auf die man auch bequem fahren konnte. Das befriedigende Gefühl, das ich hatte, als ich 1,5 Stunden später auf der Terrasse des Panoramarestaurants Bettmerhorn ankam, beantwortete die Frage.

Danach führte der Weg über grosse Steinplatten mehrheitlich hinunter, immer näher an den Aletschgletscher heran, der von hier tatsächlich noch gross erscheint. Immer wieder blieben wir stehen, um den Anblick zu geniessen und unzählige Fotos zu machen. Der Aletsch Panoramaweg trägt seinen Namen mehr als zurecht!

Beim Märjelensee verliessen wir den Gletscher in Richtung Fiescheralp. Der abwechslungsreiche Pfad führte zum Abschluss des Tages der Höhenlinie entlang durch grüne Wiesen. Die Organisatorin dieses tollen Wochenendes legte dabei das Tempo vor. In der Ausschreibung der Wanderung hatte sie geschrieben, das Tempo werde den Mitmachern angepasst und auf keinen Fall habe sie es "pressant" - ich will ja nicht dabei sein, wenn sie es einmal wirklich pressant hat.

Der Vorteil dieses Endspurts war, dass ich auf der Fiescheralp gerade noch die frühere Gondel erwischte, denn die Heimreise nach Zürich dauerte mehr als drei Stunden. Genügend Zeit, die vielen schönen und unerwarteten Eindrücke und Begegnungen letzten drei Tage nochmals Revue passieren zu lassen.



Wanderinfos:

  • Gewandert: Freitag/Samstag/Sonntag, 22./23./24. Juli 2016
  • Route: Brig - Naters - Geimen - Blindtälli - Blatten - Tschuggen - Belap (Freitag); Belalp - Oberaletsch - Hängebrücke - Kalkofen - Bischofsitz - Alte Stafel - Blausee - Bettmeralp (Samstag; Etappe 1 des Aletsch Panoramawegs/regionale Route Nr. 39); Bettmeralp - Bergstation Bettmerhorn - Roti Chumma - Märjelensee - Unners Tälli - Fiescheralp (Sonntag; Etappe 2 des Aletsch Panoramawegs/regionale Route Nr. 39)
  • Unsere Wanderzeit: 4 h 15 min (Freitag); 5 h (Samstag); 4 h 30 min (Sonntag)
  • Distanz: 13,7 km (Freitag); 15,6 km (Samstag); 16,2 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'452 m (Freitag ); 920 m (Samstag); 900 m (Sonntag)
  • Übernachten: Hotel Belalp (Freitag); Hotel Alpfrieden (Samstag)




Sonntag, 17. Juli 2016

Durch die wilde Innerschweiz (7. + 8. Etappe Zürich - Gotthard)

Die vorige Etappe von unserem Projekt Zürich - Gotthard hatte auf dem Pragelpass im Regen geendet. Die nächste Etappe begann am selben Ort bei idealem Wanderwetter. Am Tag zuvor hatte die Webcam der Glattalp - unser Tagesziel - noch eine dicke Schicht Neuschnee gezeigt und wir waren gespannt, was uns erwarten würde.

Von Schnee war auf dem Pragel zunächst nichts zu sehen, als uns das Alpentaxi absetzte. Wir wanderten dem Fuss der Silberen entlang durch eine eindrückliche Karstlandschaft, aber man durfte sich von der Aussicht und den endlosen Blumenwiesen nicht zu sehr ablenken lassen, wollte man nicht einen Fehltritt in eines der zahlreichen Löcher oder Spalten riskieren. Die zerklüfteten Felsformationen waren schön anzusehen, boten aber wandertechnisch die eine oder andere Herausforderung. Ich hatte die Gegend vorher überhaupt nicht gekannt und ich war begeistert von der ursprünglichen und unberührten Landschaft. Mit den hellen Kalkfelsen, den grünen Wiesen und den frisch eingeschneiten Bergen im Hintergrund wähnte ich mich mehr als einmal in Mittelerde. Die Etappe stellte sich als eine der schönsten Wanderungen heraus, die ich je gemacht habe.

Wir folgten der Wegspur, die man dank zahlreichen Markierungen (fast) nicht verlieren konnte. In all der Idylle und Ruhe suchen wir uns dann wohl den lärmigsten Platz für eine Mittagspause aus - mitten in einer laut bimmelnden Herde von zudringlichen Kühen. Nach diesem ohrenbetäubenden Erlebnis kann ich die Studie, dass Kühe unter ihren Glocken leiden, nachvollziehen.

Kurz nach der Mittagspause stiessen wir dann auf die erwarteten Neuschneereste, welche sich kaum von den weissen Kalkfelsen, die aus dem Gras hervorschauten, abhoben. Am Fortkommen hinderte uns der Schnee nicht - bis zum letzten Abstieg vom Pfaff zur Glattalphütte: Dort hatte sich der Schnee in Matsch verwandelt und wir rutschten mehr oder weniger sicher den Abhang hinunter, mit dem Resultat, dass wir - einmal mehr - mit dreckigen Schuhen und bis zu den Knien schmutzigen Hosen in der SAC Hütte Glattalp ankamen, wo wir die Nacht verbrachten.

Frisch ausgeruht und gestärkt nahmen wir am nächsten Morgen - so pünktlich wie noch nie - die nächste Etappe unter die Füsse. Dies bedeutete zunächst ein ziemlich heftiger Abstieg: Heftig nicht nur, weil wir gut fünfhundert Höhenmeter verloren, die wir später alle wieder hoch mussten - sondern auch weil der Weg von losem Schotter bedeckt war, der wenig Halt bot. Zu Beginn war es daher fast eine Erleichterung, als wir die Karstlandschaft endgültig hinter uns liessen und es wieder aufwärts ging. Doch spätestens als wir bei Ober Stafel eine Pause einlegten und zu den senkrechten, schneebedeckten Felswänden hoch sahen, fragen wir uns schon, auf was wir uns da eingelassen hatten. Ein Wanderer, der uns entgegen kam, bestätigte uns aber, dass der Übergang passierbar war. Fast tausend Höhenmeter - die letzten im Neuschnee - ging es zum Balmer Grätli hoch. Belohnt wurden wir mit einem Ausblick ins Schächental und die dahinter liegende Bergkette.

Da wir - unüblich - pünktlich gestartet und - üblich - zügig unterwegs waren, erreichten wir das Hotel Klausenpass bereits kurz nach zwei Uhr, gerade rechtzeitig um das Postauto nach Flüelen zu erwischen. Der Chauffeur schaffte es nicht nur problemlos den grossen Bus durch die engen Kurven der Klausenpassstrasse zu lenken, sondern er erzählte dabei noch Wissenswertes über die Region. Davon werden wir auf der nächsten Etappe noch das eine oder andere selber sehen.


Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 16./17. Juli 2016
  • Route: Pragel - Chalberloch - Zingel - Torloch - Stägen - Geisssprung - Robutzli - Charetalp - Pfaff - Glattalp (Samstag); Glattalp - In den Chrümpfen - Läcki - Unter Stafel - Ober Stafel - Munggenband - Balmer Grätli - Hotel Klausen-Passhöhe (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 5 h 30 min (Samstag); 4 h 15 min (Sonntag)
  • Distanz: 14,4 km (Samstag); 11,3 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'100 m (Samstag); 940 m (Sonntag)
  • Übernachten: SAC Hütte Glattalp
  • Weitere Etappen des Höhenwegs Zürich - Gotthard finden sich hier